Von Stefan Mülders
HEILIGENHAUS Tanja ist Mutter von drei Kindern. Aber es sind nicht alles ihre leiblichen. „Nach zwei eigenen Kindern wollte ich in fortgeschrittenem Alter die gestiegene Gefahr einer Risikoschwangerschaft nicht in Kauf nehmen“, sagt sie. Darum entschieden sie und ihr Mann sich, ein Pflegekind aufzunehmen. Vor drei Jahren war es dann so weit, die Familie bekam Zuwachs durch ein 15 Monate altes Mädchen.
Bis dahin aber mussten noch einige Formalien erledigt werden. „Wir haben uns zunächst mal grundsätzlich informiert, wie man überhaupt Pflegeeltern werden kann“, sagt Tanja. Dabei war das Ziel, ein Kind in Vollzeitpflege zu nehmen. Abgesehen vom ausgefüllten Bewerbungsbogen mussten ein erweitertes Führungszeugnis, ein ärztliches Attest und eine Selbstauskunft über eventuelle Straffälligkeiten vorgelegt werden. Außerdem stand ein Austausch mit bestehenden Pflegefamilien auf dem Programm. Der ist seit 2012 sogar durch ein dreitätiges Bewerberseminar deutlich ausgeweitet und besser strukturiert. „Da tauschen sich nicht mehr nur die Pflegeeltern untereinander aus, sondern werden durch einen Supervisor begleitet“, erklärt Cornelia Metzger-Flake vom Heiligenhauser Jugendamt. Geklärt werden zum Beispiel Fragen wie: Was kommt auf mich zu? Was passiert, wenn was schief geht? Welche „Fallen“ lassen sich vermeiden? In sechs bis sieben Terminen, in denen die Jugendamtsmitarbeiter durchaus auch mal den Haushalt der Familien besuchen, wird später intensiv auf die Aufgabe als Pflegende vorbereitet. Dabei sind in Heiligenhaus immer zwei Personen aus dem Amt beteiligt, um unterschiedliche Eindrücke gewinnen und austauschen zu können. So wird auch ausgelotet, welches Kind am besten in die Familie passen würde. „Eine Garantie, dass es passt, gibt es natürlich nicht“, sagt Metzer-Flake. „Aber Trefferquote ist schon recht hoch.“ Wie bei Tanja und ihrer Familie. „Unsere Pflegetochter war so passend ausgewählt, dass sich nicht nur bei uns wohl fühlen kann, sondern auch äußere Merkmale passten. Ich bin sogar schon auf der Straße angesprochen worden, dass sie mir sehr ähnlich sehe.“
Von der ersten Entscheidung, ein Pflegekind annehmen zu wollen, bis zum Einzug des Mädchens verging in Tanjas Fall rund ein Jahr. „Das ist eine realistische Zeit, hängt aber auch vom Zeitpunkt des Bewerberseminars ab“, sagt Metzger-Flake. Auch danach wird die Familie eng durch das Jugendamt begleitet. „Die leiblichen behalten ein Recht auf Besuchskontakte, die koordinieren wir.“ Die Treffen finden im Jugendamt oder an neutralen Orten statt, denn nicht immer klappt alles reibungslos. Bei Tanja und ihrer inzwischen vierjährigen Pflegetochter hat sich das aber inzwischen eingespielt. „Das Wohl des Kindes steht immer im Mittelpunkt, aber auch die leiblichen Eltern werden so gut es geht von uns begleitet.“
Pflegeeltern sollten auf jeden Fall schon Erfahrung mitbringen. „Für kinderlose Paare mit Kinderwunsch eignet sich diese Aufgabe erfahrungsgemäß nicht“, warnt Cornelia Metzger-Flake. In Heiligenhaus sind 38 Kinder in Pflegefamilien untergebracht, acht davon bei Verwandten. Unterschieden wird in Vollzeit- (31 in Heiligenhaus) und Kurzzeitpflege (3) sowie Bereitschaftsbetreuung (4). Kurzzeitpflege wird notwendig, wenn leibliche für einen überschaubaren geplanten Zeitraum in der Betreuung ausfallen. Das kann zum Beispiel bei Kuren oder längeren Klinikaufenthalten der Fall sein. Von Bereitschaftsbetreuung spricht man bei akutem Handlungsbedarf, wenn also innerhalb von wenigen Stunden eine Unterbringung benötigt wird. „Unsere Kapazitäten sind da durchaus in allen drei Bereichen ausgeschöpft, daher suchen wir auch weiter geeignete Pflegefamilien.“ Wer Interesse an dieser verantwortungsvollen Aufgabe hat, wendet sich an Cornelia Metzger-Flake unter Telefon 02056 13-281 oder c.metzger-flake@heiligenhaus.de.
VORMUND
Zusätzlich zum Jugendamt ist für Pflegekinder noch ein vom Gericht bestellter Vormund eingesetzt, der mindestens Teile der Rechte des Kindes erhält. Diese Menschen mit fachlichem Hintergrund sind auch eine Art Puffer zwischen Pflegefamilie und leiblichen Eltern.
In Heiligenhaus wird dafür seit 2012 mit der Diakonie kooperiert. Die Aufgaben waren allein durch Jugendamtsmitarbeiter nicht mehr zu leisten.
Autor: Muelders -- 04.01.2014; 23:43:21 Uhr
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