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180716 Der Mitarbeiter ist jetzt der Chef

 

Hanns-Georg Scheibling verkaufte seine Ratinger Spedition ungewöhnlich früh und schnell an Nachfolger Bilgin Kaymaz.
VON STEFAN MÜLDERS
KREIS METTMANN Als Bilgin Kaymaz im Februar vergangenen Jahres von seinem ehemaligen Chef Hanns-Georg Scheibling das Angebot erhielt, seine Ratinger Spedition zu übernehmen, war er vollkommen überrascht. Seit 15 Jahren war er inzwischen nicht mehr im Unternehmen. „Ich hatte 1994 als 18-Jähriger meine Ausbildung hier begonnen und insgesamt zehn Jahre für Scheibling gearbeitet“, erinnert sich der Neu-Geschäftsführer. „Von dem plötzlichen Angebot war ich hin- und hergerissen. Den sicheren Job im Vertrieb eines tollen Ratinger Unternehmens aufzugeben für mehr Risiko und Verantwortung ist keine leichte Entscheidung.“ Mehrere Monate ließ er sich für die Entscheidung Zeit, beriet sich immer wieder mit seiner Frau Kadriye. Nach dem Sommerurlaub und war aber die Entscheidung gefallen und Kadriye Kaymaz stieg bereits am 1. August – aus ihrer bisherigen Rolle als Hausfrau und Mutter heraus – in die Buchhaltung der Spedition ein. Zum 1. Januar erfolgte dann formal die Übergabe von Scheibling an Kaymaz.
Hanns-Georg Scheibling verkaufte die Spedition in einer Art „vorgezogener Alterslösung“, wie der 51-Jährige es selbst nennt. Selbstverständlich hätte er die Spedition noch einige Jahre weiter führen können. „Aber die Erfahrung, dass meine Eltern 2016 mit fast 90 Jahren kurz hintereinander verstarben brachte mich zum Nachdenken“, erklärt er. Beide Elternteile waren bis dahin im Hintergrund immer noch im Unternehmen tätig. „Meine Frau hat überhaupt keinen Bezug zum Speditionsgeschäft und meine beiden Kinder, inzwischen 17 und 18 Jahre alt, orientieren sich auch in andere Richtungen. Es gab also innerhalb der eigenen Familie keine Perspektive.“ Der Verkauf an einen Fremden war erst mal keine Option. Schnell fiel ihm der ehemalige Azubi und auch von seinen Eltern sehr geschätzte Mitarbeiter ein, der eine geeignete Nachfolge im Sinne des Familienbetriebs sein könnte. „Das wäre auch für meine Eltern, von denen ich die Spedition 1999 offiziell übernommen hatte, sicher auch eine gute Lösung gewesen. Denn Bilgin Kaymaz war immer ihr Vorbild für nachfolgende Mitarbeiter.“
Die Spedition wurde in den 1950er Jahren von Hanns-Georg Scheiblings Vater gegründet und war im Prinzip schon eine Art Nachfolgeunternehmen der Spedition des Großvaters. Die Immobilien waren und sind im Familienbesitz, dieses Geschäft führt Scheibling selbst weiter. Er pendelt zwischen Spanien, der Herkunft seiner Frau, und Ratingen und steht seinen Nachfolgern in der Spedition wo immer es geht und soll mit Rat und Tat zur Seite. Eine vertragliche Vereinbarung dazu war aber aufgrund des engen Vertrauensverhältnisses nicht notwendig.
Das Kerngeschäft der Spedition Scheibling sind deutschlandweite Stahltransporte mit Spezialisierung auf Überlängen und -breiten. Das soll auch unter dem neuen Inhaber Bilgin Kaymaz so bleiben. „Wir erledigen zwar auch kleinere Aufträge in anderen Sparten, aber die Auftragslage über die Stahlhändler ist sehr gut und es gibt keinen Grund, davon abzuweichen. Auch der Name der Spedition stand für uns nie zur Diskussion“, sagt der 42-Jährige. Kadriye Kaymaz erledigt im Unternehmen die Buchhaltung und kann das dank flexibler Arbeitszeiten gut mit der Familie und der Betreuung der beiden Kinder, fünf und zehn Jahre alt, verbinden. Perspektivisch soll das aktuelle Umsatzvolumen von rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr gesteigert werden, das größte Hindernis dabei ist der Fachkräftemangel. „Fahrer zu finden ist eine schwierige Aufgabe“, gesteht Kaymaz ein.

KURZER PROZESS
Wenige Monate Übergabe sind eine Seltenheit
Dank des bereits bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen Hanns-Georg Scheibling und Bilgin Kaymaz sowie des klaren Planes des Verkäufers konnte die Nachfolgeregelung im Fall der Ratinger Spedition Scheibling relativ schnell geregelt werden. Normaler Weise benötigt die Vorbereitung und Durchführung einer Unternehmensnachfolge deutlich mehr Zeit. Die IHK rät dazu, sich etwa zehn Jahre vor der geplanten Übergabe erste Gedanken zu machen.
Die Spedition Scheibling beschäftigt zurzeit sieben Kraftfahrer und zwei Bürokräfte und verfügt über sieben eigene Sattelzüge sowie zwölf Auflieger. Das Betriebsgelände ist vom ehemaligen Inhaber gepachtet.



Autor: Muelders -- 16.07.2018; 07:57:34 Uhr

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