Am Ratinger Standort der Hamburger Großbäckerei verlassen täglich 250 Tonnen Backwaren das Werk. Geliefert wird bis in den Norden Bayerns.
VON STEFAN MÜLDERS
RATINGEN „Brot aus dem Regal? Nein, ich kaufe lieber frisches Brot.“ Wenn Karina Alikhan, Marketingleiterin bei der Großbäckerei Harry, diesen Satz hört, muss sie schmunzeln, ärgert sich aber auch ein bisschen. „Bei uns kommt doch keine Altware aus den Backöfen“, sagt sie dann. Denn Harry steht für Frische – auch mit dem Produktionsstandort in Ratingen, der 2020 schon sein 30-jähriges Bestehen feiert.
Das Harry-Logo kennt fast jeder, der schon mal im Supermarktregal nach verpacktem Brot gegriffen hat. Dort nämlich finden sich die meisten Waren des Brotproduzenten. Von der Harkortstraße in Tiefenbroich wird die Region West betreut und versorgt. Über neun Vertriebsstellen werden Frischwaren bis nach Aschaffenburg liefert. „Wir bedienen mit 170 Touren täglich alle unsere zirka 2200 Kunden“, sagt Verkaufsleiter Björn Krenkel. „Und das bedeutet bei uns Full-Service: Unsere Mitarbeiter sind nicht nur Fahrer, sie bestücken vor Ort auch jeden Tag die Regale, nehmen nicht verkaufte Ware, die nicht mehr frisch genug ist, wieder mit und generieren die Neubestellung für den Kunden.“ Denn Kunden sind nicht etwa die Verbraucher direkt, sondern die großen Lebensmittelmärkte und die darin integrierten Backstationen. „Unser Brot findet sich zwar auch in Krankenhäusern, Seniorenheimen, auf großen Events oder in Großküchen. Sie sind dann aber nicht von uns direkt geliefert, sondern über einen unserer Handelspartner.“ Auch eigene Ladenlokale hat Harry nicht, vom Fabrikverkauf vor Ort mal abgesehen. Von insgesamt etwa 560 Mitarbeitern in Ratingen arbeiten rund 330 in Vertreib und Logistik.
Werksleiter Matthias Junge und die übrigen Beschäftigten kümmern sich darum, dass das Brot ordnungsgemäß hergestellt wird. Auf fünf Backlinien für unterschiedliche Formen und Sorten entstehen die Brote, die am nächsten Tag in den Märkten zu kaufen sind. Diese werden entweder zu Kastenbroten oder sogenannten freigeschobenen Brotlaiben verarbeitet oder in 1,5 Meter langen Brotstangen gebacken. Während Erstere sowohl ungeschnitten an die Backshops geliefert werden als auch zu Hälften geschnitten und verpackt in den Regalen der Supermärkte landen, werden die langen Stangenbrote geschnitten und zu 500-Gramm-Einheiten verpackt. „Die extrem langen Brote backen wir, weil wir die Endstücke nicht mit in den Verkauf geben können“, erklärt Junge. „Der Verschnitt ist wertvolles Brot, wird gesammelt und sortenrein später getrocknet, zu Brotmehl gemahlen und wieder verarbeitet.“ Insgesamt verlassen täglich durchschnittlich 250 Tonnen Brot die Ratinger Produktion – was ungefähr 400.000 Packungen für den Endverbraucher entspricht. Zur Haltbarmachung werden bei Harry keine chemischen Konservierungsstoffe eingesetzt. „Wir verwenden ausschließlich physikalische Verfahren“, verspricht Matthias Junge. Einige Brotsorten werden nach dem Verpacken noch mal auf 65 Grad erhitzt und damit mögliche Keime abgetötet. Andere durchlaufen spezielle keimfreie Räume und werden dort verpackt.
Für die Vielfalt sorgen zwischen 30 und 35 eigene Rezepturen, traditionelle ebenso wie neue Trendsorten. Dazu zählen zum Beispiel Chia-Brot, ballaststroffreiche Vollkornbrote, Eiweißbrot oder topaktuelle Dinkelprodukte. „Ein Dinkel-Sandwich ist seit September vergangenen Jahres auf dem Markt, verkauft sich gut und hat dabei keines der anderen Produkte verdrängt“, weiß Björn Krenkel. Der Verkauf kam also quasi auf den bisherigen Absatz obendrauf. Darum sind im März dieses Jahres zwei weitere Dinkel-Brote auf den Markt gebracht worden. Diese Spezialbrote werden allerdings nicht sofort an jedem Standort produziert und deshalb auch noch nicht in Ratingen. Meist wird in einer der Fabriken gestartet und auf die übrigen Regionen verteilt – bis die Absatzmenge eine notwendige Menge erreicht hat, um die Produktion auszuweiten.
Auch die Anlieferung von Zutaten – übrigens aus der Region – ist eine kleine logistische Meisterleistung. Allein das Mehl, beispielsweise aus Neuss, Recklinghausen oder Porta Westfalica als am weitesten entfernte Mühle, wird mit sechs bis acht Silofahrzeugen pro Tag angeliefert. Andere Produkte, die in nicht ganz so großen Mengen benötigt werden, können im eigenen Vorratslager für ein bis zwei Wochen deponiert werden. Produziert wird an sieben Tagen in der Woche, rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb.
Großbäcker mit Handwerks-Tradition
Wurzeln Harry Brot geht zurück auf die Bäckerei-Gründung von Johan Hinrich Harry am 9. Mai 1688 in Altona – hat also schon über 330 Jahre Backtradition.
Standorte Produziert wird in insgesamt neun Großbäckereien für fünf Vertriebsregionen in Nord-, Ost- und Westdeutschland. Der Standort Ratingen in Tiefenbroich wurde 1980 mit damals drei Backlinien neu gebaut.
Marktführer Seit 2013 ist Harry Brot der größte Produzent im deutschen Backwarenmarkt. Der Umsatz stieg 2018 auf mehr als eine Milliarde Euro, die von 4375 Vollzeitkräften erwirtschaftet wurden.
Autor: Muelders -- 06.04.2019; 18:51:53 Uhr
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