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VON STEFAN MÜLDERS
Heiligenhaus. Die Schloss- und Beschlägefirma Steinbach & Vollmann nutzt erneuerbare Energien für einen Teil ihres Produktionsprozesses. Darum besuchte NRW-Umweltminister Johannes Remmel jetzt das Unternehmen im Rahmen seiner Rundreise "Zukunftsenergien NRW".
Für den Schloss- und Beschlägehersteller Steinbach & Vollmann (STUV) ist die Galvanisierung ein wichtiger Prozess in der Fertigung. Die Technik zur Wärmeerzeugung war aber alles andere als modern. Darum stand das Unternehmen vor gut fünf Jahren vor der Frage: Modernisierung oder Outsourcing? Für Geschäftsführer Wolfgang Finger keine einfache Entscheidung. "Weil die Ideen der damaligen Berater nicht kreativ waren, haben wir uns entschlossen, die Galvanisierung als eigenen Produktionsschritt beizubehalten."
Nicht nur das: Freie Kapazitäten sollten genutzt werden, um gegebenenfalls auch für Dritte diese Dienstleistung zu übernehmen. Dann war die Frage zu klären, mit welcher Technik die Wärmeerzeugung modernisiert wird. Nach Prüfung verschiedener Optionen stand die Entscheidung für Solarthermie, aber: "Investitions- und innovationsbereite Unternehmen sind auf sich gestellt, weil es an neutraler Beratung fehlt", sagt Finger. Standards für Privathaushalte stehen inzwischen fest und können von vielen Dienstleistern geplant werden. Für größere Ansprüche wie bei STUV fehlen die Erfahrungswerte. Die Realisierung des 220 000-Euro-Projekts gelang dennoch und auch die Amortisationszeit von acht Jahren geht wohl wie geplant auf. Die Solar-Anlage bei STUV ist immer noch die größte in der Region und eine der größten deutschlandweit. Deshalb wurde kurz nach Fertigstellung Professor Mario Adam von der FH Düsseldorf auf das Unternehmen aufmerksam – als Kooperationspartner für ein wissenschaftliches Projekt zur Optimierung solcher Anlagen. "Wir wollen nicht nur die Verbesserung der industriefähigen Solarthermien erreichen, sondern eine Standardisierung erarbeiten", erklärt Doktorand Sebastian Schramm. Neben den Düsseldorfern ist auch das an die FH Aachen angeschlossene Solar-Institut Jülich an dem Projekt beteiligt.
Für STUV hat sich die Kooperation ausgezahlt. Die Optimierung der eigenen Anlage ist vorbereitet und soll bald in Angriff genommen werden. Dafür werden noch mal rund 10 000 Euro für Materialien fällig, die Arbeiten übernimmt das Unternehmen in Eigenregie. "Knapp zusammengefasst kann man sagen, dass wir die bisherige Parallelschaltung der fünf Kessel in eine Reihenschaltung verändern", sagt Schramm. Natürlich ist der Prozess dahinter deutlich komplizierter, zumal mit der Solarwärme nicht nur der Galvanisierungsprozess unterstützt wird, sondern auch die Heizung und das Brauchwasser. Klassische Heizungstechniker sind mit einer nicht standardisierten Aufgabe in dieser Dimension noch überfordert. Alle Energieeffizienzmaßnahmen zusammengenommen sparen bei STUV rund 60 Prozent des Gasverbrauchs ein. "Eine Größenordnung im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich", sagt Wolfgang Finger.
Solarthermie
Neben den Kosten scheitert der Bau industrieller Solarthermien oft auch an der benötigten Fläche und Statik. Die Traglast liegt zwischen 50 und 100 Kilogramm pro Quadratmeter. Die Anlage bei STUV ist 400 Quadratmeter groß, verteilt auf über 2000 Quadratmeter Dachfläche. Sie bringt eine Leistung von 160 Kilowatt.
Energie für Unternehmen
Heiligenhaus (stemu). Der wirtschaftlich messbare Erfolg bei der Nutzung von Zukunftsenergien ist für NRW-Umweltminister Johannes Remmel Anlass, rund 60 Unternehmen im Rahmen seiner Rundreise "Zukunftsenergien NRW: Orte der Energiezukunft" zu besuchen. STUV mit seiner industriell genutzten Solartechnik war seine zweite Station – und er zeigte sich beeindruckt. "Im Zusammenhang mit Solarenergie sprechen wir viel zu wenig über den Nutzen für die Wärmegewinnung. Dabei ist das meiner Meinung nach, zusammen mit der solaren Kühlung, viel wichtiger für die Zukunft und die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen als die solare Stromerzeugung." STUV sei ein Beispiel dafür, wie preiswerte Energie für Unternehmen nutzbar gemacht werden könnte. "Unsere politische Aufgabe ist es, mehr neutrale Beratung sicherzustellen. Die Energieagentur ist ein Versuch in diese Richtung."
Steinbach & Vollmann fertigt als Familienunternehmen seit 1883 Schlösser, Verschlüsse, Beschläge und Scharniere für die Industrie. Hauptgesellschafter sind Peter Vollmann und Hans-Dieter Heilenbach. Am Firmensitz in Heiligenhaus erwirtschaften 165 Mitarbeiter rund 21 Millionen Euro Jahresumsatz. Die Kunden kommen aus Stahl- und Metallbau, Maschinenbau, Klima- und Elektroindustrie, Kühlindustrie, Geldschrankproduktion und Ausrüstung von Justizvollzugsanstalten. Produkte finden sich zum Beispiel in den Airbus-WC-Türen oder den JVA Wuppertal und Düsseldorf.
Autor: Muelders -- 07.11.2012; 11:25:13 Uhr
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