Elf Jahre steuerte der Kölner den Heiligenhauser Automobilzulieferer. Kiekert wurde global konkurrenzfähig und verdoppelte den Umsatz.
VON STEFAN MÜLDERS
HEILIGENHAUS/KÖLN Einen angespannten Eindruck hatte Dr. Karl Krause bei nie öffentlichen Auftritten hinterlassen. Aber besonders entspannt wirkt er aktuell in der Lobby des Maritim-Hotel Köln: Wissend, dass er sich in aller Ruhe auf kommende Aufgaben vorbereiten und vorher ein wenig die Freiheit auf dem Motorrad genießen wird. Gemeinsam mit seiner Frau geht es auf eine längere Alpen-Tour. „Beim Motorradfahren habe ich die Technik um mich herum, bin aber nah an der Natur und kann komplett abschalten“, sagt der ehemalige Kiekert-Vorstandschef, der Ende Juni aus dem Heiligenhauser Unternehmen ausschied. „Man muss den Kopf frei haben für die Maschine und die Straße und kann keine Gedanken an etwas anderes verschwenden.“
Als Krause 2007 zu Kiekert kam, lag der Heiligenhauser Automobilzulieferer in unruhigen Fahrwassern. Dem Börsengang folgten finanzielle Probleme, zur Jahrtausendwende der Verkauf an Permira und 2006 an den Londoner Hedge-Fonds Bluebay und Silver Point sowie der US-Bank Morgan Stanley. Der Verbleib des Unternehmens in Heiligenhaus stand zur Debatte. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009 machte die Restrukturierung nicht gerade einfacher. „Die Kostenstruktur war nicht konkurrenzfähig und das Unternehmen hätte damit nicht lange überlebt“, ist sich der heute 57-Jährige sicher. „Wir haben in enger Abstimmung mit Gewerkschaften und Betriebsrat gute Lösungen gefunden und so auch die Krisenjahre gemeistert.“ Teile der Produktion wurden nach Tschechien verlagert und die zentralen Unternehmensfunktionen in Heiligenhaus gesichert. Ein Prozess der zeitgleich auch in den USA zwischen Detroit und Mexiko „gestemmt“ werden musste. Äußerst umstritten war ein Schritt, den er als CEO von Kiekert immer verteidigt hat und von dem er selbst überzeugt war: Der Verkauf an die chinesische Lingyun Gruppe, die 2012 sämtliche Aktienanteile übernahm. Der Erfolg gibt Recht: Kiekert wuchs zuletzt auf fast 900 Millionen Euro Umsatz – nahezu eine Verdoppelung unter der Ära Krause. „Es war für uns die Chance, den asiatischen Markt schneller zu erschließen und wichtig für die Globalisierung.“ Auf China folgte Korea, parallel wurden die Standorte in Südamerika und Russland aufgebaut. Krauses Ausstieg erfolgte kurz vor Ablauf der dritten Amtszeit, weil seine Mission erfüllt ist. „Es folgt jetzt die Phase der Erweiterung des Produktportfolios im Zuge zunehmender Elektrifizierung, die Kiekert mit Entwicklungen wie dem E-Schloss bereits begonnen hat. Daher war es jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze.“
Bevor Karl Krause zu Kiekert kam, hatte er bereits 15 Jahre Restrukturierungs-Erfahrung. Abitur und Studium finanzierte er selbst über Kellnerjobs, war immer schon technikaffin. Während seiner Promotionsarbeit über Zerspanungstechnik hatte er bereits Kontakte in die Automobilindustrie. Seine erste Stelle in der freien Wirtschaft war die Assistenz der Geschäftsführung bei Brose in Coburg. „In der Zeit konnte ich sehr viel über Unternehmensführung lernen“, sagt Krause. Ab 1993 folgten die ersten beiden Restrukturierungsaufgaben bei ITT Automotive. In Gifhorn war ein Quantensprung in der Bremsentechnik umzusetzen: Von der groben Zerspanung und Gießerei hin zur Präzisionsarbeit der beginnenden ABS-Technik. Auch in Bietigheim musste negative Profitabilität in positive gewandelt werden. Für TRW Automotive managte Karl Krause später die kostengetriebene Verlagerung der Produktion nach Osteuropa und wagte dann einen Ausflug in eine andere Branche: Für eineinhalb Jahre übernahm er die Geschäftsführung von Huber Verpackungen in Öhringen. „Aber ich habe schnell Sehnsucht zurück zu den Automobilen verspürt.“ Zwischen 2003 und 2007 regelte er die Restrukturierung inklusive Verkauf von Geschäftsbereichen beim ehemaligen Ford-Spin-Off Visteon in Kerpen. Hier ergaben sich enge Kontakte in den Private-Equity-Bereich, von wo aus letztendlich auch die Anfrage für die Heiligenhauser Kiekert AG kam.
Zukunft in Vorbereitung
Die Aufgabe Kiekert hat Dr. Karl Krause bis zum letzten Tag der über elf Jahre voll beansprucht. Darum sind die Zukunftspläne für den Kölner noch nicht geschmiedet, aber Ideen gibt es. Dass sie wieder irgendwo in der automobilen Branche liegen wird, ist fast sicher. Aber es muss nicht die letzte Aufgabe sein. „Es darf gerne eine 7 vorne stehen, wenn ich irgendwann in Rente gehe.“
Autor: Muelders -- 15.08.2018; 10:32:15 Uhr
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